Cash Management – präventiv und antizipativ

16. Jul 2021

Präventives und antizipatives Cash Management

A.   COVID-Krise deckt vielfach Schwächen in der Liquiditätssteuerung auf

Schonungslos legte die Corona-Krise in vielen Unternehmen ein unzureichend bis kaum vorhandenes Cash Management offen. Eine lange Phase stabiler Konjunktur und billigen Geldes zwang nur wenige Unternehmen dazu, Liquidität wie ein knappes Gut zu behandeln, das ressourcenschonend und vorausschauend zu steuern ist.

Hektisch einsetzender „Reparaturbetrieb“ im ersten Halbjahr 2020 erinnerte vielfach an die Finanzkrise 2008. Genauso ist aber auch zu beobachten, dass organisatorisch gut vorbereitete Unternehmen bessere Chancen haben, gesund durch diese Krisenzeit zu steuern.

B.   § 1 StaRUG drängt nun auch kleinere Unternehmen zu einem präventiven und antizipativen Cash Management

Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ist am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Unabhängig von Größe und Rechtsform verlangt das Gesetz von Geschäftsführern haftungsbeschränkter Unternehmen, ein System zur Krisenfrüherkennung einzurichten. Werden Ereignisse erkannt, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden, hat die Geschäftsführung geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Damit unterstreicht das StaRUG die Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung auch im Hinblick auf das Cash Management, welches unmittelbar auf die Sicherung des Fortbestands eines Unternehmens abzielt.

Das Gesetz verpflichtet Geschäftsführer ausdrücklich zur „Früherkennung“ (§ 1 StaRUG) und flankiert dies durch „Frühwarnsysteme“, die von staatlichen Stellen noch bereitzustellen sind (§ 101 StaRUG). Es geht damit nicht allein um die sogenannte Prävention in der Krise, um den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Vielmehr ist gefordert, die Krise und Ihre möglichen Auswirkungen auf die Liquidität zu antizipieren und diese bereits im Vorfeld zu entschärfen.

Doch wie kann ein Liquiditätsmanagement in der Praxis etabliert werden, das beiden Ansprüchen: Prävention und Antizipation gleichermaßen gerecht wird?

C.   Lernen von den Besten – mit einem präventiv-antizipativen Cash Management zu stärkerer Krisenresilienz

Oft ist ein Perspektivenwechsel hilfreich, um das Verständnis für die eigenen Herausforderungen zu erhöhen. Wir laden vor allem finanzwirtschaftlich orientierte Leser ein zu einem „Ausflug“ in die Welt der Produktion:

Insbesondere auf wettbewerbsintensiven Märkten sind Produktionsbetriebe auf modernste Instandhaltungskonzepte angewiesen, um erfolgreich zu sein. Werden Maschinen erst bei Ausfall repariert (korrektive Instandhaltung), entstehen regelmäßig Verluste durch ungeplanten Produktionsausfall. Präventive Instandhaltung erfolgt meist nach festgelegten Zeitintervallen und Bevorratung kritischer Ersatzteile, um längere Produktionsunterbrechungen zu vermeiden. Moderne Instandhaltungskonzepte nutzen darüber hinaus umfangreiche Prozess- und Maschinendaten, um den optimalen Zeitpunkt für die Wartung zu prognostizieren (antizipative Instandhaltung oder engl. predictive maintenance). Somit wird nicht nur ungeplanten Ausfällen vorgebeugt. Darüber hinaus können Serviceintervalle bis auf das wirtschaftliche Optimum ausgedehnt werden, wodurch zusätzliche Ergebnispotenziale entstehen und die wirtschaftliche Widerstandskraft erhöht wird.

Wie lässt sich dies nun auf die Praxis des Cash Managements übertragen?

 

C.   Transformation vom korrektiven zum präventiv-antizipativen Cash Management

Im Folgenden werden Möglichkeiten dargestellt, wie die Transformation zu einem präventiv-antizipativen Cash Management in der Praxis gelingen kann. Dabei liegt der Fokus auf den folgenden drei erfolgskritischen Faktoren:

Menschen, Prozesse und Systeme.

Menschen

Der Faktor Mensch spielt bei der Bewältigung der komplexen Aufgabe der Liquiditätssteuerung eine herausragende Rolle. Ein effektives Cash Management setzt klare Zielvorgaben und klare Zuordnung von Verantwortung für die involvierten Mitarbeiter voraus.

Die Geschäftsleitung hat für den organisatorischen Rahmen zu sorgen, um genau diese Klarheit bei Verantwortung und Zielvorgaben für das Cash Management zu schaffen. Die Koordination des Cash Managements sollte in den Händen des Leiters Finanzen liegen. Die erfolgreiche Umsetzung beruht jedoch auf der Zusammenarbeit der kompletten Geschäftsleitung.

Bereits in guten Zeiten sollten Mitarbeiter beim Cash Management gezielt einbezogen werden. Durch Zielvorgaben für liquiditätsorientierte Kennzahlen partizipieren die Mitarbeiter an der Verantwortung für das Cash Management. Durch die betriebliche Anwendung wird eine liquiditätsorientierte Unternehmenskultur gefördert.

Zur Verdeutlichung: Der Vertriebsmanager, der primär an Umsatzzielen gemessen wird, gewährt beispielsweise längere Zahlungsfristen und gewährt Zusagen für hohe Lieferfähigkeit und Sicherheitsbestände. Bei den Kundenverhandlungen sollten aber zusätzlich liquiditätsrelevante Aspekte im Interesse des eigenen Unternehmens mit eingebracht werden. Durch liquiditätsorientierte Zielvorgaben für den Vertrieb werden Anreize gesetzt, um beispielsweise Zahlungsbedingungen bei Kundenverhandlungen stärker einzubeziehen.

Die Verantwortung für die wichtigsten Liquiditätskennzahlen sind den Mitgliedern der Geschäftsleitung zuzuordnen. Zielvorgaben werden im Rahmen des Planungsprozesses definiert. Der verantwortliche Kennzahleninhaber hat Planabweichungen zu erläutern und zeitnah Gegenmaßnahmen zu definieren. Mit dem Einbezug der gesamten Geschäftsleitung wird der Teamgeist gestärkt und das Cash Management erhält damit mehr Durchschlagskraft.

Der Beitrag der Beteiligten zur Cash-Generierung oder zum Cash-Verbrauch sollte transparent gemacht und damit das Verantwortlichkeitsgefühl für die Liquidität gestärkt werden.

Ein Mauerblümchendasein der Liquidität sollte nachhaltig einer Cash-Kultur weichen. Die Cash-Kultur trägt zu einem Klima der gemeinsamen Verantwortung für jederzeitige Zahlungsfähigkeit des Gesamtunternehmens bei.

Prozesse  

Die oben beschriebenen Ziele und Verantwortlichkeiten von Personen im Hinblick auf die Liquiditätssteuerung sollten konsistent durch eine ebenso klare Definition der Prozesse auf die operative Ebene heruntergebrochen werden.

Mit klaren Richtlinien, die im Einklang mit den Liquiditätszielen des Unternehmens stehen, sollte die Konformität der Einzeltransaktionen sichergestellt werden. Mit geeigneten Kennzahlen wird übergeordnet geprüft, ob sich das Unternehmen im Gleichklang mit den definierten Zielen entwickelt.

Der Mindestumfang der Kennzahlen sollte die durchschnittliche Lagerdauer (DIO – Days Inventory Outstanding), durchschnittliche Debitorenlaufzeit (DSO – Days Sales Outstanding), durchschnittliche Kreditorenlaufzeit (DPO – Days Payables Outstanding), Investitionen und den Netto Cashflow umfassen. Gegebenenfalls sind auch Covenants im Rahmen von Bankfinanzierungen sowie branchentypische Kennzahlen zu berücksichtigen.

Im Planungsprozess werden Zielvorgaben für diese Kennzahlen definiert und die Verantwortung den Kennzahleninhabern zugeordnet.

Die Jahresplanung und der Plan-Ist-Vergleich sind zudem durch regelmäßige Prognosen der Kennzahlen und der Liquidität zu ergänzen. Die Prognosen geben zusätzliche Informationen über die Erreichbarkeit des künftigen Liquiditätsbedarfs und dienen der Früherkennung von Liquiditätsengpässen.

Diese Kennzahlen, der Liquiditätsstatus und die Liquiditätsvorschau sollten Bestandteil der Finanzberichte sein und regelmäßiger Gegenstand der Geschäftsleitungssitzungen sein. Dies erhöht die Zugkraft bei der Umsetzung eines effektiven Cash Managements.

Um die Mitarbeiter bei der Umsetzung und Überwachung dieser komplexen Zusammenhänge zu unterstützen, sind geeignete Softwarelösungen empfehlenswert.
Systeme

Damit Prozesse nachhaltig und zuverlässig funktionieren, sind sie kontinuierlich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.

Das Cash Management sollte in das Managementsystem des Unternehmens eingefügt werden. Der systematische Aufbau eines Managementsystems dient dem reibungslosen Ablauf und erlaubt die nachhaltige Umsetzung der Ziele des Cash Managements.

Ziele eines effektiven Cash Managements sind Konsistenz und Aktualität der Informationen, sowie Effizienz bei der Informationsverarbeitung. Managementsysteme nutzen einen PDCA Regelkreis (Engl. Plan-Do-Check-Act), um einen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung zu etablieren.

Diesen Prozess der kontinuierlichen Verbesserung sollte das Unternehmen bereits in guten Zeiten beginnen, um auf etwaige wirtschaftliche Krisen besser vorbereitet zu sein. Die kontinuierliche Verbesserung betrifft Konsistenz und Aktualität der Informationen sowie die Effizienz bei der Informationsverarbeitung.

Die Konsistenz der Daten wird durch eine integrierte Finanzplanung sichergestellt. Die integrierte Finanzplanung (Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Kapitalflussrechnung) sorgt dafür, dass die Liquiditätsplanung auf Konsistenz mit den anderen Planungsrechnungen überprüft wird.

Die Aktualität der Daten wird durch eine rollierende Liquiditätsprognose erzielt. Die Liquiditätsprognose wird hierbei regelmäßig auf Basis der aktuellen Umsatzprognosen und Geschäftsaussichten angepasst. Die Notwendigkeit der rollierenden Liquiditätsvorschau ergibt sich auch aus gesetzlichen Vorschriften (InsO, StaRUG). Eine ausschließliche Orientierung der Unternehmenssteuerung an Planwerten ist damit nicht ausreichend.

Der Einsatz von Software entlastet die Mitarbeiter von Routinetätigkeiten, beschleunigt die Informationsgewinnung und reduziert Fehler.

Die Einbindung des Cash Managements in das Managementsystem des Unternehmens macht die Prozesse robuster und nachhaltiger. Tritt eine wirtschaftliche Krisensituation ein, ist das Unternehmen krisenfester aufgestellt und die Geschäftsleitung in der Lage, zeitnah und konsequent auf widrige Rahmenbedingungen zu reagieren.

 

 Fazit

Ein modernes Cash Management muss mehr sein als ein korrektives Reagieren auf bereits eingetretene Liquiditätsengpässe (korrektives Cash Management). Die Geschäftsführung sollte Risiken, die die künftige Zahlungsfähigkeit gefährden können, möglichst zuverlässig antizipieren. Dadurch können präventive Gegenmaßnahmen nicht erst dann eingeleitet werden, wenn die Krise bereits evident ist (präventives Cash Management). Vielmehr ermöglicht zuverlässige Antizipation ein frühzeitiges und proaktives Handeln und ergänzt effektives Cash Management um den Aspekt der Effizienz. Die Kombination von Prävention und Antizipation erhöht somit die Krisenresilienz von Unternehmen.

Eine entsprechende Transformation des Cash Managements gelingt in der Praxis dann, wenn die drei erfolgskritischen Faktoren: Menschen, Prozesse und Systeme hinreichend berücksichtigt und in einen zieladäquaten Gleichklang versetzt werden.

Bereits in guten Zeiten sollte die Geschäftsleitung den hierzu nötigen Fokus setzen, eine entsprechende Cash-Kultur schaffen und die richtigen Veränderungsprozesse in die Wege leiten. Mit der erforderlichen Zugkraft umgesetzt, wird damit nicht nur den Anforderungen des § 1 StaRUG Rechnung getragen. Der so erlangte Zugewinn an Krisenresilienz wird sich spätestens in der nächsten wirtschaftlichen Krise auszahlen.

 

Autoren sind:
Roland Pätzold,
Interim Manager – unterstützt Unternehmen in wirtschaftlichen Krisensituationen
Restrukturierungs- und Sanierungsberater, IfUS Institut, Heidelberg

Roland Reichstein,
Dipl.-Kfm. / Steuerberater
Fachberater für Restrukturierung und Unternehmensplanung DStV e.V.

Roland Reichstein
Roland Reichstein, Steuerberater